Jörg Kühni (truc konzept & gestaltung, Bern) ist für das Erscheinungsbild von tabula verantwortlich. Seit 11 Jahren kümmert er sich mit seinen Illustrationen und einer harmonischen Gestaltung um die Geschichten hinter den Texten.
Wie können wir uns deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Visuelle Gestaltung im Kundenauftrag ist definitiv kein 9-to-5-Job: Jedes neue Projekt erfordert ja das Einarbeiten in eine zunächst unbekannte Materie. Als Gestalter kann ich zwar (im besten Fall) die Sicht eines Aussenseiters fruchtbar einbringen, der zugehörige «Denkprozess» hört aber eigentlich nie auf. Man weiss im Voraus einfach nicht, welche Inspirationen, Assoziationen und Einflüsse aus dem gegenwärtigen oder vergangenen Umfeld bei einem künftigen Auftrag für eine überzeugende Lösung wichtig sein könnten und muss insofern immer Augen und Ohren offen behalten. Das konkrete Umsetzen einer Idee ist dagegen ein normaler, eher handwerklich bestimmter Prozess.
Wie gehst du vor, wenn du einen Text bekommst, zu dem du die Illustrationen machen musst? Was läuft da bei dir ab?
Beim ersten Lesen eines Textes formt sich bei mir eigentlich immer sofort eine Bildidee*, komplett mit zugehörigem Umsetzungsstil (z.B. «fotografisch» oder «illustrativ). Manchmal reicht das zwar schon aus, aber viel öfter besteht die Kunst darin, solche Schnellschüsse wieder aus dem Kopf zu kriegen und zugunsten von besser reflektierten Lösungen zu überwinden. Dabei kann eine erweiterte Recherche zum Thema helfen, oder das Feedback der Kundin/des Kunden. Wichtig ist einfach, dass die Sache wie oben beschrieben eine Weile bei mir im Oberstübchen «herumrugelen» kann. Beim zweiten Lesen verfestigt sich die Idee, oder wird dann eben komplett über den Haufen geworfen …
(*z.B. bei einem Artikel über veränderte Essgewohnheiten in der modernen Arbeitswelt: Was essen Bildschirmarbeiter:Innen? Illustrierte Antwort: Das Hamburger-Menu!)
Wir sehen von dir oftmals Comic-Illustrationen im tabula. Sagt dir diese Gestaltungsform besonders zu oder bietet sich diese für die tabula-Themen einfach sehr gut an? Und weshalb?
Ja, solche «Cartoons» sind für Fachartikel à la tabula häufig besonders geeignet: In den Artikeln werden ernährungswissenschaftlich relevante Themen und Phänomene fachkundig erörtert. Dabei entsteht oftmals schon aus dem Kontrast zwischen theoretischem Wissen und real praktiziertem (Laien-)Alltag ein Spannungsfeld, welches am besten mit Humor ausgedrückt und gleichzeitig überbrückt werden kann. Gute Cartoons können aber noch mehr, indem Sie heikle Facetten eines Themas auf vielerlei Ebenen «ganzheitlicher» ansprechen können, als es der spezifisch ernährungswissenschaftliche Blickwinkel des Artikels vielleicht erlaubt*.
(*z.B. bei einem Artikel über Ernährung und Migration: Zur längerfristigen Entschärfung von durch Migration verursachten Spannungen ist der ebenfalls migrierende Food oft das beste Mittel.)
Wenn du zurückschaust, welche Ausgabe ist dein Favorit von der Gestaltung her und weshalb?
Das war eine schon ältere Ausgabe zum Thema Darmbakterien (tabula no. 4/15). Damals schauten meine Kinder gerade gerne die Plastilin-Stop-Motion-Filme von Nick Park (Wallace & Gromit etc.). Bei der Recherche zu den Darmbakterien stiess ich zudem auf grandiose, mikroskopische Aufnahmen des Darmbioms, auf denen die diversen Bakterien wie Charaktere aus einer Muppet-Show wirkten: All diese komischen, bohnenförmigen Dinger, manche mit einer Art Punk-Frisur, andere mit einer Vielzahl von «Beinen», einfach fantastisch. Es war sofort klar, dass ich daraus eine «Gut-Gang» (Magen-Bande) formen musste, und zwar wie Nick Park aus Plastilin. Das war sehr aufwändig und völlig unrentabel, hat aber viel Spass gemacht…!
Was schätzt du bei der Arbeit für tabula besonders?
Die Geduld und das Vertrauen, mit der Thomas Krienbühl und das Redaktionsteam mich mein «Ding» machen lassen. Das ist in der heutigen Kontrolletti-Kultur eher selten geworden.
Worüber nervst du dich bei deiner Arbeit?
Jede tabula-Ausgabe ist eine Chance für eine wirklich tolle Illustration. Manchmal packe ich sie nicht. Das nervt. (Selbiges gilt auch für andere Gestaltungsaufträge)
Du bist nicht ausschliesslich als Grafiker tätig, sondern auch noch als Assistenzpfleger im Inselspital. Wie kam es dazu?
Die Art, wie ich Gestaltung mache, ist ein hart umkämpftes Business, welches durch die Digitalisierung in den letzten Jahren auch noch viel, viel Substanz verloren hat. Corona hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt und ich brauchte einfach ein anderes Standbein mit einem regelmässigeren Einkommen. Jetzt arbeite ich an ein paar Tagen in der Woche auf der Intensivstation, helfe lagern, pflegen, putzen oder Maschinen aufbereiten, eine komplett andere Bubble zu meinem sonstigen Dasein. Ich kann sowas nur empfehlen, es ist eine enorme «Frischzellenkur» und hilft mir, viele abgestandenen Vorstellungen über den Haufen zu werfen …
Als Grafiker bist du zwar im tabula prominent vertreten und sprichst via Illustrationen mit den Leser*innen, und trotzdem befindest du dich eher im Hintergrund. Gibt es etwas, das du den tabula-Leser*innen schon immer mal sagen wolltest?
Ja. Vielen Dank fürs anschauen! 😉
Jörg Kühni, truc konzept & gestaltung
Autor: Thomas Krienbühl